Gemeinsam nicht einsam

Die Generationenbrücke Walldorf e.V.

Ein Bericht von Christina Mildenberger | 03.06.2022

Die Brückenbauer

Menschen, die sich freiwillig, unentgeltlich und für die Allgemeinheit engagieren, sind rar und gleichzeitig unentbehrlich. Ohne die Freiwilligen gäbe es keine Vereine und keine sozialen Projekte. Unsere Freizeit wäre eine andere: Keine Vereinsfeste, keine Sport- oder Musikveranstaltungen, keine schnelle Hilfe in Notsituationen und keine ausreichende Unterstützung für bedürftige Menschen. Ob jung oder alt, Sozialhilfeempfänger oder gut situierte Personen: alle profitieren vom Ehrenamt. Diese Menschen bauen Brücken zwischen unterschiedlichen Menschen, in unterschiedlichen Lebenssituationen, welche die gleiche Leidenschaft oder auch Leidensgeschichte verbindet. Diese Brückenbauer sind unentbehrlich, und doch gibt es zu wenige davon.

Generationenbrücke Walldorf e.V.

Roland Portner, der 1. Vorsitzende des Vereins „Generationenbrücke Walldorf e.V.“ ist einer von ihnen. Er ist Ehrenamtlicher. Der 77-jährige Walldorfer engagiert sich seit nunmehr zehn Jahren für andere Menschen. Er ist nicht nur Gründungsmitglied, sondern seither auch 1. Vorsitzender. Zusammen mit weiteren 20 Gründungsmitgliedern gründete er am 25. Juli 2012 den Verein „Generationenbrücke Walldorf e.V.“. In der Satzung des Vereins steht: „Ein langes Leben in einer vertrauten Umgebung ist das, was sich die meisten Menschen wünschen…“. Ihr Ziel folgt einer traurigen Erkenntnis: Das Leben im Alter kann schwierig und einsam sein. Viele ältere Menschen, so erzählt mein Interviewpartner, benötigen Hilfe bei alltäglichen Dingen. Dies kann ein Einkauf, ein Behördengang, das Lesen einer Zeitung, kleinere Reparaturen, die Begleitung zu Ärzten, Hilfe beim Schriftwechsel, am Computer oder dem Handy sein. Manchmal ist es aber auch schlicht und ergreifend fehlende Gesellschaft, die gesucht wird. Letzteres ist ein häufiger Grund, so weiß Roland Portner, warum Menschen dem Verein beitreten: „Sie möchten nicht alleine sein.“

Unsere Bloggerin Christina Mildenberger bei Roland Portner, 1. Vorsitzender der Generationenbrücke in Walldorf.

Fehlende Angebote für Senior:Innen

Der 77-jährige Walldorfer hat sich selbst mit dem Thema „älter werden“ beschäftigt. Anlass war unter anderem die Stadt Walldorf, die im Jahr 2008 zu einer Informationsveranstaltung für ältere Bürger:Innen eingeladen hatte und verschiedene Lebensmodelle vorstellte.  Außerdem durften interessierte Bürger:Innen an Hospitationen im „Schwäbischen“ teilnehmen. Oft waren dies Einrichtungen mit kirchlichem Hintergrund, deren Anliegen ein würdevolles Leben im Alter ist. „Für Senioren und Seniorinnen gab es bis zu diesem Zeitpunkt in Walldorf nur wenige oder keine Angebote“, erzählt Roland Portner. Dieses Problem hatte auch die Stadtverwaltung erkannt und die Teilnehmenden der öffentlichen Veranstaltungen um Mithilfe an der Erarbeitung eines Konzepts gebeten.

Über 2700 Helfer-Stunden

Die Idee war gut, das Interesse und der Bedarf der Walldorfer Bürger:Innen groß und die Umsetzung gelungen: Mittlerweile wuchs der Verein von 21 Gründungsmitglieder auf 345 Vereinsmitglieder an. Vor Corona, so erzählt mir mein Interviewpartner wehmütig, waren es noch 375. „Die Pandemie hat uns ausgebremst“. Viele Veranstaltungen hatten sich zuvor etabliert - konnten in den vergangenen zwei Jahren aber nur bedingt oder gar nicht durchgeführt werden. „Vor Corona betrug das Engagement über 2700 geleistete Stunden, zusätzlich zu unseren Veranstaltungen“. Man merkt dem rüstigen Rentner an, dass er stolz auf die Leistung seiner Vereinsmitglieder ist.

Mitglieder helfen Mitgliedern

Alleine 50 der aktuell 345 Vereinsmitglieder sind ehrenamtliche Helfer. „Wir praktizieren das Prinzip: Mitglieder helfen Mitgliedern“. Dabei wird mittlerweile nicht mehr ausschließlich älteren Menschen geholfen – auch jüngere Vereinsmitglieder und Familien erhalten Unterstützung. Brücken bauen ist das Stichwort. Jüngere Mitglieder können oft bei alltäglichen Dingen helfen, kennen sich gut mit der Technik aus – die ältere Generation hat Zeit und kann auch mal als „Leihoma“ oder „Leihopa“ dienen, sofern die Betreuung des Nachwuchses nicht gestemmt werden kann. Was auf der einen Seite der Brücke fehlt, ist auf der anderen Seite vielleicht vorhanden. Roland Portner würde sich viel mehr junge Mitglieder wünschen. Der Walldorfer Rentner legt Wert darauf, Augen und Ohren für geänderte Bedarfe offen zu halten und sich mit Mut an neue Projekte zu wagen – auch, wenn dies im ein oder anderen Fall zu Misserfolgen führen kann. „Die Welt verändert sich, daher sollten wir das auch tun.“

Gemeinschaft zählt

Dass sich der Verein seit 2012 weiterentwickelt hat, kann man auch an den vielen Veranstaltungen und Angeboten erkennen. Zu diesen gehören das öffentliche „Fröhliche Frühstück“, welches einmal im Monat im Rahmen einer Kooperation der Katholischen und Evangelischen Kirche sowie der Generationenbrücke stattfindet. An diesem Frühstück nehmen regelmäßig 50 – 60 Teilnehmer:Innen teil. Zusätzlich gibt es einmal im Monat einen Kaffeeklatsch, dem etwa 30 interessierte Mitglieder beiwohnen. An diesem Kaffeeklatsch gibt es neben leckerem Kuchen und Kaffee auch ein Rahmenprogramm, welches durch die Vorstandschaft der Generationenbrücke organisiert wird. Themen sind beispielsweise der Enkeltrick, über den Polizeibeamte informieren oder Tipps zum Erhalt der Gesundheit. Einmal jährlich findet auch ein „Tag der Älteren“ in der Astoriahalle in Walldorf statt, den die UNO offiziell ausgerufen hat. Die Generationenbrücke organisiert diesen Tag, an dem etwa 85 – 100 Personen teilnehmen. „Dieser Tag ist sehr aktiv“, verrät mir Roland Portner. Neben vielen Programmpunkten werden Senioren und Seniorinnen auch immer wieder zur Bewegung am Tisch animiert.

Trio-Bike und Einkaufsbus

Ein ganz anderes Angebot bietet der Verein durch die Anschaffung und Pflege zweier Bücherregale, sowie dem im Jahr 2019 erworbenen elektrischen Trio-Bike. Das praktische Gefährt ist ähnlich einer Rikscha. Einziger Unterschied: Der Fahrer oder die Fahrerin sitzen hinten, nicht vorne. Dadurch können die Insassen mehr sehen. Unsere Mitglieder:Innen nehmen das Angebot gerne in Anspruch. Oft möchten Sie eine Fahrt in den Wald genießen. Dorthin kommen sie nicht mehr selbst. Mit dem Trio-Bike werden Brücken gebaut: Brücken an schwer erreichbare Orte. Solche schwer erreichbaren Orte sind beispielsweise auch Einkaufsläden. Auch hier hat der Verein ein Konzept geschaffen, um zu helfen. Die Lösung: Ein Einkaufsbus. Jeden Donnerstag fährt der umsonst geliehene Bus der Stiftung „Anpfiff ins Leben“ vor und holt bis zu sieben, bereits vorab angemeldete Personen ab.

Generationenbrücke Walldorf e.V.

Das Trio-Bike ist bei den Senior:innen beliebt und in Walldorf oft unterwegs.
 

Das Angebot ist öffentlich und steht allen interessierten Walldorfer:Innen zur Verfügung. Der Fahrer sowie eine Begleitperson helfen dabei beim Einstieg, fahren zu den gewünschten Stationen, begleiten die Insassen bei ihren Einkäufen, fahren zur nächsten Station und am Ende des Vormittags wieder nach Hause. Natürlich erhalten die Teilnehmenden, sofern gewünscht, auch Unterstützung beim Tragen der Einkäufe, gegebenenfalls bis in die Wohnung. „Mittlerweile“, so Roland Portner, „hat es sich eingebürgert, am Ende der Tour noch eine gemeinsame Tasse Kaffee oder Tee zu trinken.“ Gemeinsam statt einsam lautet auch hier die Devise.

Ein eigenständiges Leben

Einsam sein möchte auch Roland Portner nicht. Sein Antritt war und ist, seit mehr als zehn Jahren, Menschen so lange als möglich ein eigenständiges Leben zu ermöglichen. Die „Generationenbrücke Walldorf e.V.“ und deren Konzept begeistert mich auch Tage nach meinem Interview. Es gruselt mich bei dem Gedanken, später einmal alleine sein zu müssen. Das Engagement dieser Menschen für andere Menschen ist großartig. Bemerkenswert  ist auch die Unterstützung durch Spenden von verschiedenen Organisationen, Firmen, der Stadt, der Stiftung „Anpfiff ins Leben“ oder beispielsweise der Volksbank Kraichgau, welche die Tätigkeit des Vereins und deren Projekte fördert. Auch um den Helfer:Innen eine Aufwandsentschädigung für deren geleistete Arbeit zahlen zu können und Anschaffungen, wie beispielsweise das Trio-Bike, tätigen zu können.

Am Ende meines Interviews möchte ich von Herrn Portner wissen, welche Wünsche er an seine persönliche Zukunft und die des Vereins hat. „Ich möchte gerne einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin finden und  wünsche mir, dass der Verein immer genügend Helfer:Innen hat, um noch viele Jahre Brücken bauen zu können. Außerdem möchte ich auch einmal an der anderen Seite des Tischs sitzen: Nicht einsam, sondern gemeinsam.“

Übrigens: Dies ist ein Beitrag aus unserem Geschäftsbericht 2021. Den vollständigen Geschäftsbericht finden Sie hier.

 

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