Was für Muster sind das?
Das sind etwa Neid, Status, Macht, Konkurrenzdenken. Das lernen wir schon in der Schule: Einer muss immer der Beste sein. Um Teamspirit aufzubauen, gilt es, aus diesen Mustern rauszukommen.
Aber gerade im Sport spielen Ehrgeiz und Wettbewerbsdenken doch eine zentrale Rolle, oder?
Ehrgeiz kann helfen, das eigene Potenzial optimal zu entwickeln. Aber auf dem Platz geht es letztlich nur mit Respekt und gegenseitiger Unterstützung – das sind die Grundpfeiler der Exzellenz. Bei der Teamentwicklung geht es darum, das Ego zu überwinden und immer wieder zu reflektieren: Verhalte ich mich im Sinne der Mannschaft?
Jedes erfolgreiche Team lebt auch von der Unterschiedlichkeit seiner Spielerinnen und Spieler. Wie gelingt es, individuelle Stärken und gleichzeitig den Zusammenhalt zu fördern?
Je größer die Unterschiedlichkeit, desto mehr muss man in gegenseitiges Interesse und Verständnis investieren. Statt immer nur den Rollenträger zu sehen, also den Stürmer, die Eventmitarbeiterin, den Greenkeeper, sollten wir hin zum Menschen kommen und zu seiner Sicht auf die Welt. Dieser Perspektivwechsel ist wichtig, denn so lernt man, miteinander umzugehen – das ist Teambuilding.
Also Teambuilding als Prozess, nicht als Event?
Ich glaube, kein Trainer würde heute noch sagen, dass Teambuilding nur ein Event ist. Erfolgreiche Trainer widmen einen großen Teil ihrer Arbeitszeit dem Austausch mit ihren Spielern. Es ist wichtig, diese interne Kommunikation nicht als Kaffeeklatsch abzutun, sondern eine Investition in die Kultur des Miteinanders darin zu sehen. Kommunikation wird oft nur als Reden verstanden, aber es geht um viel mehr: darum, einander zuzuhören, kontinuierlich im Austausch zu bleiben und aufeinander zuzugehen. In vielen Unternehmen und auch in der Gesellschaft sind wir davon leider weit entfernt. Andersartigkeit ist ja fast zur Bedrohung geworden. Wer heute sagt, dass auch andere Meinungen zu akzeptieren sind, steht plötzlich in einer ganz komischen Ecke. Ich glaube, dass die Gesellschaft sehr viel arbeiten muss, um wieder Unterschiedlichkeit zu ertragen. Das ist ganz wesentlich, denn wenn wir Unterschiedlichkeit nicht zulassen, werden wir auch nicht zur Potenzialentfaltung kommen und nicht als Team agieren können.
Es ist ja auch immer viel die Rede von der Krise als Chance. Welche Chance erkennen Sie in der aktuellen Situation?
Aus der Psychologie ist der Effekt bekannt, dass bedrohliche Situationen den Zusammenhalt fördern. Allerdings muss das gut moderiert sein, um nicht in die Spaltung zu geraten. Wichtig ist es, den Moment des Zusammenrutschens nicht leichtfertig zu vergeben, sondern ihn zu nutzen und zu vermitteln: Wir kommen da gemeinsam durch, wir respektieren und unterstützen uns gegenseitig.
Sportvereine gelten speziell in Deutschland als wichtige Orte, wo Gemeinschaft und Zusammenhalt gelebt wird. Doch nicht erst seit Corona leiden viele Vereine unter Mitgliederschwund. Was läuft falsch?
Ich glaube nicht, dass die Vereine etwas falsch machen. Ich habe eher das Gefühl, dass wir als Gesellschaft egozentrischer unterwegs sind: Es geht ums Ich, ums Abgrenzen, um Konkurrenz. Das Ergebnis spüren die Vereine, die ja etwas für die Gemeinschaft tun. Dazu kommt die Pandemiesituation: Alles, was gemeinsam ist, ist potenziell verboten und/oder gefährlich. Ein weiteres Problem: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Viele haben ihre Freizeitbeschäftigung umgestellt, viele joggen jetzt zum Beispiel statt im Verein zu trainieren. So eine Entwöhnung wieder zurückzudrehen, kostet Zeit.
Was können die Vereine tun?
Sie können Angebote machen und darauf hinweisen, wie attraktiv es ist, gemeinsam Sport zu machen und Gesellschaft zu haben. Und sie können Anreize und besondere Erlebnisse schaffen, damit die Menschen merken: Stimmt, da war was, das hat gefehlt. Ich selbst hatte so ein Gefühl im Frühjahr, als beim Spiel Hoffenheim gegen Bayern München unser Stadion zum ersten Mal wieder fast voll war. Zwar waren alle Straßen verstopft und es gab einen riesigen Stau, aber die Leute sind geströmt und die Stimmung war super – das hatte was. Da kam etwas wieder hervor, was verloren war.
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